Floating-PV und Agri-PV – Solarenergie auf dem Wasser und dem Acker nutzen
Solarstrom ohne Landverbrauch? Stellen Sie sich einen stillgelegten Baggersee vor, auf dem hunderte Solarmodule leise auf den Wellen schaukeln. Oder einen Obstgarten, in dem Solarpanels hoch über den Apfelbäumen schweben und Schatten spenden. Genau das ermöglichen Floating-Photovoltaik (Floating-PV) und Agri-Photovoltaik (Agri-PV). Beide Konzepte erschließen neue Flächen für die Energiewende, ohne wertvolles Land zu entziehen – im Gegenteil: Sie nutzen vorhandene Wasser- und Landwirtschaftsflächen doppelt. In diesem Beitrag geben wir einen fundierten Überblick über die technischen Grundlagen, Vorteile, Herausforderungen und wirtschaftlichen Potenziale dieser innovativen Ansätze. Außerdem beleuchten wir internationale Pilotprojekte (von den Niederlanden bis China), die Relevanz für Europa und die Rolle von Floating- und Agri-PV in der Energiewende.
Floating-Photovoltaik: Solarkraftwerke auf dem Wasser
Was ist Floating-PV? Unter Floating-PV versteht man Photovoltaik-Kraftwerke, deren Module auf Schwimmkörpern direkt auf Gewässern installiert sind. Die Solarmodule treiben auf Seen, Talsperren oder gefluteten Tagebaugruben und sind über Verankerungen am Grund oder Ufer fixiert. So erzeugen sie Strom, ohne Landflächen zu blockieren. Typische Standorte sind künstliche Seen wie Baggerseen, Stauseen oder ehemalige Braunkohle-Tagebaue. In Deutschland kämen besonders geflutete Tagebaulose und Kiesgruben in Frage – laut Fraunhofer ISE bieten allein ~500 dieser Seen ein technisches Potenzial von etwa 26 GW_P für Floating-PV. Weltweit ist Floating-PV bereits ein wachsender Markt: Die installierte Leistung stieg von nur 10 MW (2014) auf 7,7 GW im Jahr 2023.
Wie funktioniert die Technik? Eine Floating-PV-Anlage besteht aus speziellen Pontons oder Kunststoffschwimmern, die die Solarmodule tragen. Diese schwimmenden Plattformen sind so verbunden, dass sie Wind und Wellen standhalten. Anker oder Gewichte auf dem Gewässergrund verhindern ein Abdriften. Kabel führen den erzeugten Strom ans Ufer – bei einem 6,1 MW-Park in den Niederlanden wurden z.B. 25 km Kabel verlegt, um den Solarstrom ins lokale Netz einzuspeisen. Je nach Gewässer sind zusätzliche Maßnahmen nötig: Wellenbrecher und flexible Verankerungen für Wasserstandsschwankungen, Wartungsstege für den Zugang und Schutzrohre für Kabel. Die Module selbst entsprechen meist Standard-PV-Modulen, müssen aber korrosionsbeständig und robust gegen hohe Feuchte sein. Interessant: Die Nähe zum Wasser sorgt für natürliche Kühlung der Module, was ihre Effizienz erhöht. Dadurch können Floating-PV-Anlagen etwas höhere Erträge erzielen als vergleichbare Anlagen an Land – Wasser wirkt wie eine Klimaanlage für die Solarzellen.
Vorteile von Floating-PV: Der offensichtlichste Vorteil ist die Flächenschonung. Floating-PV nutzt ungenutzte Wasseroberflächen, anstatt kostbares Bauland oder Agrarflächen zu belegen. In dicht besiedelten Ländern ist das ein großer Pluspunkt. Zudem profitieren die Module von der bereits erwähnten Wasserkühlung, was insbesondere an heißen Tagen den Wirkungsgrad steigert. Studien zeigen auch Synergieeffekte: Die Teilabdeckung eines Sees kann die Verdunstung reduzieren – in sonnenreichen Regionen mit Trinkwasserseen ist das ein willkommener Nebeneffekt. Gleichzeitig wird das Algenwachstum durch die Verschattung gehemmt, was die Wasserqualität stabil halten kann (erste Untersuchungen fanden z.B. nur leichte Temperaturänderungen im Wasser und Ansiedlungen von Muscheln an den Pontons, aber keine Scheu bei Wasservögeln). Nicht zuletzt ermöglicht Floating-PV eine schnelle Installation: Vorfertigte schwimmende Strukturen lassen sich oft zügig montieren, ohne große Erdarbeiten. Und wenn die Anlage rückgebaut werden muss, hinterlässt sie keine versiegelten Flächen – der See bleibt erhalten.
Herausforderungen von Floating-PV: Trotz der Vorteile steht Floating-PV noch am Anfang, und es gibt einige Herausforderungen. Die Umweltverträglichkeit muss für jeden Standort geprüft werden: Veränderungen im Ökosystem des Gewässers, etwa weniger Lichteinfall für Unterwasserpflanzen oder Sauerstoffgehalt, werden intensiv erforscht. Bisherige Projekte stimmen optimistisch (kaum negative Effekte bei moderater Abdeckung). Technisch stellen Feuchtigkeit, Wellen und Wind hohe Anforderungen: Komponenten müssen korrosionsfest sein, und die Unterkonstruktion muss z.B. Sturm und Wellengang aushalten. Das erfordert robuste Materialien und clevere Konstruktionen – was die Kosten anfangs höher macht als bei Freiflächen-PV. Auch Wartung ist anspruchsvoller: Man benötigt Boote oder Stege, um Module zu reinigen oder Wechselrichter zu warten. Im Winter muss man je nach Standort mit Eisbildung rechnen. Ein weiterer Punkt ist der gesetzliche Rahmen: In Deutschland dürfen bislang max. 15 % einer Wasserfläche mit PV bedeckt werden, und 40 m Uferabstand sind vorgeschrieben. Das begrenzt die Projektgröße. Eine Analyse zeigte, dass unter diesen strengen Vorgaben in Deutschland rund 1,8–2,5 GW Floating-PV installiert werden könnten – deutlich weniger als das technisch Mögliche. Eine Lockerung der 15%-Grenze (z.B. auf 35%) würde das Potenzial auf ~45 GW steigern. Hier besteht also regulatorischer Anpassungsbedarf, um mehr Projekte zu ermöglichen.
Praxisbeispiele: International sind bereits beeindruckende Floating-PV-Anlagen in Betrieb. China hat 2023 die weltgrößte Floating-PV-Farm ans Netz gebracht: einen 320 MW Solarpark auf einem Stausee in Dezhou, Shandong. Auch in ehemaligen Kohlerevieren Chinas schwimmen große Solarfelder (frühere 150 MW-Projekte in Huainan machten Schlagzeilen). Japan setzte wegen Platzmangel schon früh auf schwimmende Solaranlagen – hunderte kleinerer Anlagen zieren dort Bewässerungsstausseen und Reservoirs. Europa zieht nach: In den Niederlanden befinden sich die größten Floating-PV-Anlagen außerhalb Asiens. So betreibt BayWa r.e. auf dem Baggersee Bomhofsplas einen 27,4 MW-Park (73.000 Module auf 18 ha). In Sellingen (NL) ging 2021 sogar ein 41,4 MW-Floating-PV ans Netz – Europas größte schwimmende PV-Anlage. Frankreich hat mit 17 MW in Piolenc ebenfalls gezeigt, dass Floating-PV auch dort funktioniert. In Deutschland startete 2019 die erste Anlage: Auf einem Kiessee bei Renchen (Baden-Württemberg) liefern 750 kW Floating-PV etwa 800.000 kWh Solarstrom pro Jahr für das örtliche Kieswerk. Seitdem wurden mehrere kleine Projekte gebaut; die bislang größte deutsche Floating-PV-Anlage (Stand 2025) ist ein 14,7 MW-Park in Hohen Warnow bei Rostock. Insgesamt sind in Deutschland aber erst etwa 50 Floating-PV-Anlagen in Betrieb oder Planung – ein Bruchteil des Potenzials. Diese Beispiele zeigen: Floating-PV funktioniert vom Baggersee bis zum Stausee und könnte weltweit massiv zur Solarstromerzeugung beitragen, wenn die Anfangshürden überwunden werden.
Agri-Photovoltaik: Landwirtschaft und Solarstrom auf einer Fläche
Was ist Agri-PV? Agri-Photovoltaik (auch Agrar-PV oder Agrivoltaik) bedeutet, dass dieselbe Landfläche gleichzeitig für Landwirtschaft und für Solarstromerzeugung genutzt wird. Vereinfacht: Solarmodule teilen sich den Acker mit Nutzpflanzen. Dafür werden PV-Anlagen so gestaltet, dass darunter weiterhin gepflanzt, geerntet oder sogar Vieh gehalten werden kann. Typischerweise werden Solarmodule hoch aufgeständert – z.B. 5 m über dem Boden – damit Traktoren problemlos darunter durchfahren können. Alternativ können Module auch vertikal oder in Reihen mit großem Abstand aufgestellt werden, sodass zwischen den Modulreihen konventionell Landwirtschaft betrieben wird. Selbst Gewächshäuser mit integrierten PV-Dächern zählen zur Agri-PV. Wichtig ist, dass die landwirtschaftliche Produktion nicht nur Alibi ist, sondern ein echter Doppelnutzen entsteht: Lebensmittel und Strom vom selben Feld.
Technische Konzepte: In Deutschland unterscheidet man nach der neuen DIN SPEC 91434 zwischen hochaufgeständerten Agri-PV-Systemen (Module mindestens 2,1 m hoch über dem Boden) und bodennahen Systemen. Hochaufgeständerte Anlagen (z.B. Pilotanlage Heggelbach am Bodensee mit 5 m Durchfahrtshöhe) ermöglichen Ackerbau direkt unter den Modulen – die Module spenden eher teilweisen Schatten. Bodennahen Systeme platzieren Module in geringer Höhe, aber mit Reihenabstand – oft als vertikale bifaziale Module nach Ost-West ausgerichtet, sodass morgens und abends Strom erzeugt wird und mittags genug Licht für die Pflanzen dazwischen bleibt. Solche senkrechten Solarzäune können z.B. auch als Weidezaun fungieren. Die Technik der Module und Wechselrichter ist bei Agri-PV im Grunde Standard-Photovoltaik, aber die Unterkonstruktion ist anspruchsvoller: robuste Gestelle, die Wind und Wetter trotzen und gleichzeitig z.B. höhenverstellbar oder drehbar sein können (in einigen Anlagen werden Tracker genutzt, die den Sonnenstand verfolgen). Oft ersetzen die Module traditionelle Infrastrukturen: In Weinbergen oder Obstplantagen dienen sie z.B. zugleich als Hagelschutz oder Regenüberdachung, ähnlich Folientunneln – nur dass sie statt Folie Strom erzeugen. Ein Beispiel ist eine Apfelplantage am Bodensee, wo PV-Module über den Baumreihen installiert wurden und die Netze gegen Hagel ersetzen. Agri-PV kann also bestehende Agrartechnik ergänzen.
Vorteile von Agri-PV: Das Konzept bietet eine Win-Win-Situation für Landwirtschaft und Energie. Zunächst wird die Flächeneffizienz maximiert: Ein Feld liefert Nahrung und Energie parallel, ohne zusätzliche Flächen zu verbrauchen. In Zeiten knapper werdender Ackerflächen ist das ein großer Vorteil – es entschärft Nutzungskonflikte zwischen PV-Ausbau und Lebensmittelproduktion. Dabei muss die Ernte keineswegs leiden. Zwar fällt unter den Modulen etwas weniger Licht auf die Pflanzen, doch geschickte Anordnung kann das kompensieren. Gesamtertrag steigt: Fraunhofer ISE hat errechnet, dass in Deutschland rund 50 GW Solarleistung installiert werden könnten, ohne den aktuellen Agrarertrag zu schmälern. Teils zeigen sich sogar positive Effekte auf die Landwirtschaft: Die Module spenden Schatten bei starker Sonne und senken die Temperatur, was Wassereinsparungen und Schutz vor Sonnenbrand an Früchten ermöglicht. Sie dienen als Regendach bei Unwettern und schützen vor Hagel, Frost und Dürre – wie ein High-Tech-Klimaschutzschirm für die Pflanzen. In Weinbergen oder Obstbaugebieten kann das die Qualität und Sicherheit der Ernte verbessern. Ein Beispiel: In Babberich (Niederlande) wachsen Himbeeren unter einer 2,67 MW-Agri-PV-Anlage auf 3,3 ha – und erzielten 6 % mehr Ertrag als vergleichbare Himbeeren unter herkömmlichen Folientunneln. Solche Synergien zeigen, dass Agri-PV Produktivität sogar steigern kann. Zusätzlich profitiert der Landwirt durch zusätzliches Einkommen aus der Stromerzeugung – entweder durch Einspeisevergütung/Stromverkauf oder Eigennutzung (etwa zum Pumpen von Bewässerungswasser). Agri-PV diversifiziert also das Einkommen und macht Landwirte wirtschaftlich widerstandsfähiger. Nicht zuletzt erhöht es die Resilienz der Landwirtschaft insgesamt: Durch Klimawandel bedingte Extreme können besser abgefedert werden, und ländliche Räume bekommen neue Wertschöpfungsmöglichkeiten.
Herausforderungen von Agri-PV: Warum sehen wir dann nicht längst auf jedem zweiten Feld Solarmodule? Die Agri-PV steht noch vor einigen Hürden. Investitionskosten sind ein zentrales Thema: Die speziellen Tragstrukturen und höhere Montage treiben die Kosten im Vergleich zu einer einfachen Freiflächen-PV-Anlage in die Höhe. Solange Landflächen günstig sind, ist aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht ein normales Solarpark-Layout oft preiswerter. Rechtlicher Rahmen: In vielen Ländern, so auch in Deutschland, war bis vor kurzem unklar, wie Agri-PV genehmigungsrechtlich einzuordnen ist. Handelt es sich um landwirtschaftliche Nutzung, um Energieanlage oder beides? Es fehlten klare Kategorien in Bau- und Planungsrecht. Erst 2021 wurde in Deutschland mit DIN SPEC 91434 ein Standard definiert. Dennoch gelten PV-Anlagen auf Ackerland oft als „Zweckentfremdung“, was Genehmigungen erschwert. Auch Fördermechanismen waren lange nicht angepasst: Übliche Einspeisetarife oder Ausschreibungen bevorzugten Freiflächenanlagen, während Agri-PV mangels Kategorie durchs Raster fiel. (Hierzu unten mehr bei Fördermöglichkeiten.) Akzeptanz und Ästhetik spielen ebenfalls eine Rolle: Bevölkerung und Landschaftsschützer reagieren mitunter skeptisch auf große Strukturen in der Landschaft. Ein Solarpark über einem Weinberg verändert das Landschaftsbild – ob man es als futuristisch oder störend empfindet, hängt vom Auge des Betrachters ab. Agri-PV-Projekte müssen daher oft intensive Überzeugungsarbeit leisten und zeigen, dass Landwirtschaft weiterhin stattfindet und das Dorfbild nicht „verschandelt“ wird. Auch Landwirte selbst sind teils zurückhaltend, solange unklar ist, ob die Technologie zuverlässig funktioniert und ob sie primär der Stromerzeugung dient oder der Landwirtschaft. Pilotprojekte sollen hier Vorbehalte abbauen. Weitere Herausforderungen sind technischer Art: Die Anlagen müssen so geplant sein, dass Erntemaschinen darunter manövrieren können (kein leichtes Unterfangen bei 5 m Höhe und Windlast!). Die Bewirtschaftung verändert sich – z.B. anderer Lichteinfall, evtl. angepasste Sorten oder Pflanzabstände. Erste Forschungsprojekte untersuchen, welche Fruchtarten sich am besten eignen und wie man die Wechselwirkung zwischen Pflanze und PV optimiert (Stichwort Lichtdurchlässigkeit der Module, Reihenabstand etc.). All das erfordert Know-how aus Agrarwissenschaft, Technik und Ökonomie.
Praxisbeispiele: International gibt es bereits spannende Agri-PV-Anlagen. China ist Vorreiter und vereint in großem Maßstab Solar und Agrar: Dort steht die weltweit größte Agri-PV-Anlage, ein 700 MW Solarpark unter dem Goji-Beeren angebaut werden. China nutzt Agri-PV auch in Wüstenregionen zur Landgewinnung – z.B. grasen Schafe unter Solarmodulen, die zugleich die Wüste vor Erosion schützen. Japan fördert „Solar Sharing“ seit 2013: Mittlerweile wurden Tausende kleiner Agri-PV-Anlagen auf Reisfeldern, Gemüseäckern oder Teeplantagen gebaut. Die japanische Regel verlangt, dass mindestens ~80 % des ursprünglichen Ernteertrags erhalten bleibt – das hat zu vielen kleinteiligen Projekten geführt und einer ganzen Bauern-Solarbewegung. Europa zieht nach: In Frankreich gibt es seit 2017 eigene Förderauktionen für Agri-PV, wodurch bis 2020 bereits 48 Anlagen realisiert wurden. Frankreich hat auch den ersten Agri-PV-Branchenverband weltweit gegründet. Italien investiert kräftig – über 1,1 Mrd. € sind vorgesehen, um 2 GW Agri-PV zu installieren. In den Niederlanden betreibt BayWa r.e. mehrere kommerzielle Agri-PV-Farmen, etwa mit Himbeer- und Johannisbeersträuchern unter Solardächern. Auch in Deutschland gibt es erste Leuchtturmprojekte: Ein bekanntes Pilotprojekt steht seit 2017 in Heggelbach (Bodenseeregion), wo auf 0,3 ha verschiedene Feldfrüchte unter 194 kW PV-Modulen wachsen – Ergebnis: etwa 80 % der normalen Ernte und zusätzlich ~200 MWh Strom pro Jahr. In Kressbronn am Bodensee wurden Apfelbäume mit Solarmodulen überdacht. In Rheinland-Pfalz testet ein Bio-Obsthof eine PV-Überdachung für Äpfel und Spalierobst. BayWa r.e. hat zudem in Baden-Württemberg und den Niederlanden Versuchsanlagen für Erdbeeren, Blaubeeren und Brombeeren installiert – hier ersetzen die PV-Module die üblichen Plastikfolien und liefern gleichzeitig Strom. Diese Beispiele zeigen, dass Agri-PV funktioniert – die Herausforderung besteht nun darin, vom Pilot zum Massenmarkt zu gelangen.
Wirtschaftlichkeit, Potenziale und Flächeneffizienz
Sowohl Floating-PV als auch Agri-PV versprechen, die Energiewende mit zusätzlichen Flächen voranzubringen. Doch wie sieht es wirtschaftlich aus, und welches Potenzial steckt dahinter?
Flächeneffizienz und Potenzial: Beide Konzepte punkten, indem sie bereits genutzte Flächen doppelt nutzen. Floating-PV erschließt Wasserflächen, die zuvor keinerlei Energiebeitrag lieferten – jeder installierte kW ist ein Zugewinn ohne Landkonkurrenz. Agri-PV ermöglicht Solarparks ohne Ackerlandverlust, was in landwirtschaftlich geprägten Ländern wie Deutschland oder den Niederlanden entscheidend ist. Das technische Potenzial ist enorm: Studien schätzen, dass weltweit 400 GW auf Wasserflächen installiert werden könnten, wenn geeignete Seen, Staubecken und Küstenlagunen genutzt würden. Allein in Deutschland könnten (theoretisch) um die 40–50 GW auf künstlichen Seen Platz finden – eine Größenordnung, die etwa der Hälfte der heutigen PV-Gesamtkapazität Deutschlands entspricht. Bei Agri-PV sind die Zahlen noch beeindruckender: Weltweit waren 2021 bereits über 14 GW Agri-PV installiert, davon rund 12 GW in China. Doch das ist erst der Anfang. Fraunhofer ISE beziffert das langfristige Potenzial in Deutschland auf über 1.700 GW_P, würde man alle geeigneten landwirtschaftlichen Flächen mit Agri-PV überbauen. Realistisch sind solche Extreme natürlich nicht. Aber das Signal ist klar: Flächenknappheit muss kein Limit für Solarstrom sein. Schon mit einem Bruchteil davon – zum Beispiel 4 % der Agrarfläche mit Agri-PV – ließen sich rund 50 GW Solarleistung installieren, ohne die Nahrungsmittelproduktion zu schmälern. In der Praxis wird man sehr gezielt vorgehen (z.B. Obst- und Weinbau, trockene Regionen, Doppelnutzung von Gewerbegewässern etc.), aber diese Zahlen unterstreichen das gewaltige Ausbaupotenzial.
Wirtschaftlichkeit: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn beide Technologien müssen sich gegen konventionelle Lösungen behaupten. Floating-PV ist bereits näher an der Konkurrenzfähigkeit. Durch den schnellen Markthochlauf in Asien sind die spezifischen Kosten gesunken: Schwimmkörper und Verankerung machen ein Floating-PV-Projekt etwa 10–15 % teurer als eine Freiflächenanlage. Dafür entfallen oft Kosten für Landkauf oder -pacht, was die Rechnung relativieren kann. Wichtig ist ein geeigneter Standort: hohe Sonneneinstrahlung, ruhiges Gewässer, Nähe zum Netzanschluss – unter diesen Bedingungen können Floating-Anlagen heute schon wirtschaftlich betrieben werden. Betreiber wie Energieversorger in den Niederlanden oder Japan berichten, dass ihre schwimmenden Parks rentable Stromgestehungskosten erreichen. In Deutschland war lange unklar, ob Floating-PV als Freiflächenanlage im EEG förderfähig ist. 2014 entschied die Clearingstelle EEG, dass PV-Anlagen auf Baggerseen als Konversionsflächen gelten können, wenn die Gewässer aus früheren Bergbauaktivitäten stammen. Damit haben solche Projekte Anspruch auf die EEG-Vergütung für Konversions-PV (was etwas höhere Tarife sein konnten). Heute werden Floating-PV-Projekte meist über Ausschreibungen oder Direktabnahmeverträge (PPA) realisiert. Da die Technik immer weiter skaliert, erwarten Experten ein starkes Marktwachstum in den nächsten Jahren.
Bei Agri-PV ist die Wirtschaftlichkeitsrechnung komplexer. Die Mehrkosten für die Unterkonstruktion und eventuelle Erntehilfen (z.B. kleinere Maschinen oder spezielle Verfahren) schlagen zu Buche. Laut Max Trommsdorff (Fraunhofer ISE) kann Agri-PV aktuell kaum mit herkömmlichen Freiflächen-PV mithalten, solange die doppelte Nutzung rechtlich nicht klar geregelt und vergütet wird. Doch hier kommt Bewegung hinein: Förderprogramme und Ausschreibungen passen sich an. Frankreich honoriert Agri-PV über Innovationsausschreibungen seit 2017. In Deutschland wurden 2022 erstmals 150 MW Agri-PV in einer EEG-Innovationsausschreibung ausgeschrieben, nachdem die Bundesnetzagentur Kriterien für Agri-PV festlegte (z.B. Mindestdurchfahrtshöhe, hauptsächliche landwirtschaftliche Nutzung etc.). Italien stellt sogar über eine Milliarde Euro bereit, um Agri-PV im großen Stil voranzubringen. Diese Förderungen sollen die Mehrkosten ausgleichen und der Technik zum Durchbruch verhelfen. Aus Betreibersicht kann Agri-PV attraktiv sein, wenn man beide Ertragsquellen kombiniert: Der Solarstrom liefert regelmäßiges Einkommen, während die Agrarprodukte weiterhin verkauft werden – unterm Strich kann das Gesamtbetriebseinkommen höher sein als ohne PV. Besonders bei Sonderkulturen (Obst, Beeren, Wein) ist die Bereitschaft höher, da hier die PV-Anlage zugleich Erntehelfer (Wetterschutz) ist und teure Ausfälle verhindern kann. Die Wirtschaftlichkeit hängt also stark vom Einzelfall ab: Was für eine Kultur? Welche Einsparungen (Hagelnetz, Bewässerung)? Welche Fördertarife? In sonnenreichen Regionen mit hohen Erträgen sowohl landwirtschaftlich als auch solar ist Agri-PV heute schon nahe an der Rentabilität. In Deutschland rechnet es sich oft nur mit Förderung oder im Premiumsegment (z.B. Biobetriebe, Direktvermarktung von Ökostrom an Hofläden etc.). Allerdings: Mit steigenden CO₂-Preisen, höherem Strombedarf in der Landwirtschaft (Stichwort E-Traktoren, Bewässerungstechnik) und weiter sinkenden PV-Kosten dürfte die Rechnung immer besser aussehen. Dann könnten Agri-PV-Anlagen für Landwirte ähnlich selbstverständlich werden wie Traktoren – als Doppelnutzung ihrer wichtigsten Ressource, des Bodens.
Fördermöglichkeiten: In Europa etablieren sich zunehmend gezielte Förderinstrumente. Frankreich, Italien und Deutschland nutzen Innovationsausschreibungen, um Projekte auszuwählen und über 20 Jahre per Einspeisetarif zu fördern. In Frankreich wurde zudem ein Agri-PV-Gütezeichen entwickelt, um echte Doppelnutzung zu zertifizieren. Deutschland hat die Flächenkulisse im EEG erweitert – neben Acker mit Dauerkulturen (Obst, Wein) sind nun auch Flächen mit mehrjährigen Kulturen förderfähig. Einige Bundesländer (z.B. BW) unterstützen Pilotanlagen direkt mit Investitionszuschüssen. Für Floating-PV gibt es bislang weniger spezifische Programme, aber da es oft auf Konversionsflächen (z.B. Tagebaurestseen) entsteht, kann es in Deutschland in den Freiflächen-Ausschreibungen als besondere Kategorie punkten. Außerdem bieten manche Energieversorger PPA-Verträge an, um den Solarstrom direkt abzunehmen, was die Finanzierung erleichtert. Die EU-Kommission hat in ihrer Solarstrategie 2022 ebenfalls betont, dass duale Nutzungen wie Agri- und Floating-PV forciert werden sollen, um die Solarziele zu erreichen – hier sind in Zukunft wohl weitere Förderimpulse zu erwarten.
Relevanz für Europa und Energiewende-Ausblick
Für den europäischen Markt sind Floating- und Agri-PV mehr als nur exotische Pilotideen – sie könnten zu wichtigen Bausteinen der künftigen Energieversorgung werden. Europa ist dicht besiedelt, Landwirtschaft und Naturschutz genießen hohen Stellenwert. Gleichzeitig verlangt die Energiewende nach einer massiven Ausweitung der Solarstromkapazitäten. Die EU hat ambitionierte Ziele (bis 2030 über 600 GW Solarleistung). Dafür werden kreative Lösungen benötigt, um genügend Flächen zu finden und gleichzeitig Akzeptanz zu sichern. Hier spielen Floating- und Agri-PV eine Schlüsselrolle:
- Entlastung von Landnutzungskonflikten: Beide Konzepte mindern den Druck auf klassische Freiflächenanlagen. Weniger Streit um „Solarparks vs. Getreidefelder“ oder „PV vs. Naturschutzgebiet“, wenn Baggerseen und bestehende Felder genutzt werden. Gerade in Ländern wie Deutschland, Niederlande, Italien oder UK, wo jeder Quadratkilometer hart umkämpft ist, steigert das die Ausbaugeschwindigkeit.
- Klimaanpassung und Nachhaltigkeit: Agri-PV bietet europäischen Landwirten eine Chance, sich an klimatische Extreme anzupassen – ein nicht zu unterschätzender Aspekt, da Dürre und Unwetter auch hier zunehmen. Es ermöglicht wasserschonende Bewirtschaftung, wie Projekte im Mittelmeerraum zeigen, und kann lokale Lebensmittelproduktion sichern. Floating-PV wiederum kann z.B. in Südeuropa helfen, Wasserreservoirs vor Verdunstung zu schützen, während sie Strom liefern. Solche Doppelnutzen passen ideal zu den Nachhaltigkeitszielen der EU.
- Technologie und Wertschöpfung: Europa verfügt über starke Forschungsinstitute (Fraunhofer, INRAE etc.) und Unternehmen, die in diesen Nischen-Technologien führend sein können. Bereits jetzt kommen Innovationen wie transparente PV-Module für Gewächshäuser oder schwimmende Solarsysteme für Offshore-Einsatz aus europäischen Entwicklungsabteilungen. Eine Förderung von Floating- und Agri-PV stärkt also auch die grüne Industrie. Installation, Wartung und Planung dieser Anlagen schaffen spezialisierte Jobs vor Ort, oft im ländlichen Raum.
- Akzeptanz der Energiewende: Wenn Solarparks Ernte und Artenvielfalt fördern (z.B. indem unterm Modul Schafe weiden oder Blühpflanzen wachsen) und Seen weiterhin touristisch nutzbar bleiben, steigt die Akzeptanz bei Bürgern. Agri-PV und Floating-PV können zeigen, dass die Energiewende integriert und sichtbar schonend umgesetzt werden kann – Solarenergie muss kein Fremdkörper in der Landschaft sein, sondern kann Landwirtschaft und Industrieflächen intelligent ergänzen.
Ein Blick in die Zukunft: In den kommenden Jahren dürfte die Zahl der Floating-PV-Anlagen auf europäischen Gewässern deutlich steigen – insbesondere in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und vielleicht auch Südeuropa (etwa auf Stauseen in Spanien/Portugal). Bei Agri-PV erwarten Experten einen Markthochlauf, sobald erfolgreiche Leuchtturmprojekte die Machbarkeit belegen und Förderrahmen greifen. Denkbar ist, dass große Agrarbetriebe und Winzer in sonnenreichen Regionen zuerst auf den Zug aufspringen (Strom für Eigenbedarf, Premium-Label für „Solar-Wein“ etc.). In 10–15 Jahren könnten Agri-PV-Aufbauten so normal sein wie heute Windräder am Horizont.
Fazit
Floating- und Agri-Photovoltaik waren vor wenigen Jahren noch visionäre Ideen – heute sind sie erprobte Technologien mit enormem Potenzial. Sie erzählen die Geschichte einer kreativen Energiewende: Statt Flächenkonkurrenz setzen sie auf Koexistenz und Mehrfachnutzen. Für Fachleute aus Solarbranche und Landwirtschaft eröffnen sich neue Geschäftsfelder – vom Spezialinstallateur bis zum Agri-PV-Projektentwickler. Die nächsten Schritte werden zeigen, wie gut wir diese Konzepte in die Breite tragen können. Gelingt das, werden Solarmodule bald nicht nur auf Dächern und Feldern, sondern auch auf unseren Seen glänzen – und darunter wachsen Gemüse, weiden Schafe oder spiegelt sich einfach der Himmel im Wasser. Diese Vision einer doppelten Ernte von Strom plus X macht Floating-PV und Agri-PV zu spannenden Pionieren der kommenden Energie-Landschaft.
FAQ – Häufige Fragen zu Floating-PV und Agri-PV
Floating-PV bezeichnet Photovoltaikanlagen auf Wasserflächen. Die Solarmodule schwimmen dabei auf Pontons auf Seen oder Staubecken und sind verankert. Technisch ähnelt Floating-PV normalen Solaranlagen, bietet aber den Vorteil, dass keine Landfläche benötigt wird und die Module durch das Wasser gekühlt werden, was die Effizienz steigern kann.
Agri-PV (auch Agrar-PV) ist die Kombination von Landwirtschaft und Solarstrom auf derselben Fläche. Solarmodule werden über Feldern oder Weinbergen installiert – meist aufgeständert in 2–5 m Höhe – sodass darunter weiterhin angebaut und geerntet werden kann. Eine Agri-PV-Anlage ermöglicht so Doppelnutzung: Das Feld liefert gleichzeitig Nahrungsmittel und Solarstrom.
Beide Konzepte erschließen neue Flächen ohne Nutzungskonflikt. Floating-PV nutzt ungenutzte Wasserflächen (z.B. Baggerseen) und erhöht durch Wasserkühlung den Solarertrag. Agri-PV ermöglicht Solarstromerzeugung, ohne Ackerland aus der Produktion zu nehmen. Zudem profitieren bei Agri-PV die Kulturen unter den Modulen durch Schatten, Hagelschutz und geringeren Wasserbedarf. Insgesamt steigt die Flächeneffizienz enorm – Land oder Wasser liefern doppelt Nutzen (Strom + Ernte). Für Betreiber ergeben sich zusätzliche Einnahmen und höhere Resilienz.
Schwimmende PV-Anlagen müssen Wind, Wellen und Feuchtigkeit trotzen, was robuste (und teurere) Komponenten erfordert. Man muss mögliche Umweltauswirkungen auf Gewässer (Licht für Flora/Fauna, Wasserqualität) berücksichtigen, wobei Studien bisher wenig Beeinträchtigung zeigen. Bei Agri-PV sind die Investitionskosten höher, da spezielle Gerüste nötig sind. Auch rechtlich ist die Doppel-Nutzung komplex – Genehmigungen und Förderungen waren lange unklar, werden aber inzwischen angepasst. Beide Technologien erfordern interdisziplinäre Planung (Energie + Umwelt/Landwirtschaft) und teils Überzeugungsarbeit, da sie neuartig sind. Kurz: Die Anfangshürden sind höher als bei Standard-PV, aber sie sind lösbar.
Die Wirtschaftlichkeit verbessert sich stetig. Floating-PV kann an geeigneten Standorten bereits stromgestehungskosten-mäßig konkurrenzfähig sein, besonders wenn Land teuer ist und die Anlage über z.B. PPAs vermarktet wird. In Deutschland gelten Floating-PV auf Konversionsseen als förderfähig im EEG, was finanziell hilft. Agri-PV rechnet sich derzeit oft nur mit Förderung oder in Spezialfällen, da Mehrkosten für die Unterkonstruktion anfallen. Allerdings bieten einige Länder (Frankreich, Deutschland, Italien) inzwischen Förderauktionen oder Zuschüsse für Agri-PV. Wenn man den Doppelnutzen berücksichtigt – Stromerlöse plus landwirtschaftliche Erträge, eventuell Einsparungen durch Wetterschutz – kann Agri-PV für bestimmte Kulturen schon rentabel sein. Langfristig, mit weiter fallenden PV-Preisen und höherem Bedarf an erneuerbarem Strom, wird die Rentabilität voraussichtlich deutlich steigen. Beide Konzepte haben also gute Zukunftschancen, wirtschaftlich attraktiv zu werden.